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Solutré - französisches Neandertal bei Macon

Von Jorgos Milonas

Solutré – französisches Neandertal

Burgund ist ganzjährig eine der attraktivsten Regionen Frankreichs und dies nicht nur vom kulinarischen Standpunkt her gesehen. Im Sommer ist die lieblich hügelige Landschaft bedeckt mit schier unendlichen Weinbergen und Schlössern in jedem Tal, ein wahrer Touristenmagnet. Im Winter betören die geometrisch angeordneten und graphisch kahl wirkenden Weinberge mit einem besonderen Charme. Die Schlösser, die im Sommer durch grosse Bäume geschützt und versteckt sind, werden nach dem Laubfall endlich gut sichtbar. In den unzählig vielen privaten und genossenschaftlichen Kellern kann man das ganze Jahr nette Erlebnisse bei Weindegustationen haben. Die lokale Gastronomie ist bekannt für Rosette, Gänse- und Entenleber, „coque au vin“ und vieles mehr. Die Restaurants sind gemütlich und zum Essen trinkt man guten lokalen Wein zu vernünftigen Preisen. Das Kulturleben dieser Region hinkt etwas nach, was aber die nahgelegene polyvalente Metropole Lyon wieder spielend wettmacht.

Solutré befindet sich unweit von Macon (Macon liegt ca. 60 Km nördlich von Lyon entfernt) im Departement Saône-et-Loire (Burgund). Ein von weitem sichtbarer Felsen erhebt sich hoch über die Weinberge und sein Aussehen ändert sich markant mit dem sich ändernden Blickwinkel (während der Anfahrt auf der kurvigen Strasse). Der Fels ist fossilen Ursprungs, früher Korallenriff, seine schräge Lage ist aber tektonisch (seismisch) bedingt. Am steilsten und bedrohlichsten sieht Solutré von Chasselas gesehen aus. Im Schatten dieses Berges spielte sich während Jahrtausenden eine bewegte Geschichte einer prähistorischen Kultur ab –das Solutréen.

Die omnipräsenten Anzeigetafeln fürs Prähistorische Museum kann man nicht übersehen und es ist ein leichtes den unter dem markanten Felsen geschmackvoll angelegten Parkplatz zu erreichen. Das relativ kleine aber didaktisch sehr gut ausgestattete Museum bietet im Eintrittspreis inbegriffen einen mehrsprachigen Kopfhörerführer an. Musée du Solutré ist im Fels eingelassen und die spärliche, fast mystische Beleuchtung trägt zur authentischen Atmosphäre bei. Übersichtliche Zeittafeln beim Eingang orientieren darüber in welchem Geschichtsabschnitt wir uns gerade befinden. Weiter folgt eine Vitrine nach der anderen mit Fundsachen, die nicht nur gut beschrieben sind, sondern mit Schemata erklärt werden.
Die ersten Funde vor Ort wurden zwar schon viel früher gemacht, doch systematische archäologische Grabungen begannen erst im Jahre 1864. Von den Archäologen Lartet und Christy bekam 1866 diese vorgeschichtliche Kultur, wegen dem Felsen, den Namen Solutréen. Bedeutende Funde gelangen dann 1907 dem Priester Breuil. In der neueren Zeit, zwischen 1968 und 1978 wurden abschliessende Grabungen getätigt. Das Museum wurde 1987 errichtet.

Solutréen (22‘000 – 18‘000 v.Chr.) gehört ins frühe Paleolytikum. Es war die kälteste Periode im westlichen Europa, die sogenannte Eiskirschen-Periode, die zwischen 35‘000 – 10‘000 Jahre v.Chr. dauerte. In dieser Zeit siedelten sich Jäger in der Region von Solutré an, spezialisiert auf die Pferdejagt. Diese Wildpferde kamen hier in riesigen Herden vor.

Die Zeitperiode Solutréen folgt ziemlich abrupt, also ohne einen sanften Übergang an Gravettien. Die ältesten Schichten und Funde, Fels-und Höhlenzeichnungen, die man dieser Kultur zuschreibt, liegen im Tal der Ardèche. In Südfrankreich, im Périgord liegt quasi das Zentrum des Solutréen. Man darf aber die Funde in Belgien, Italien, Nordspanien, und Portugal nicht vergessen. Sogar in Deutschland, Russland, Tschechien, der Slowakei und in Ungarn wurden Spuren des Solutréen gefunden. Dort fehlt aber eine klare genetisch nachweisbare Anbindung.

Das Klima war damals sehr rau, kalt aber trocken. Selten waren feuchte Landschaften anzutreffen, was auf die Besiedelung grossen Einfluss hatte. Die Fauna war durch Rentier, Hirsch, Steinbock, Wolf, Rind und das Wildpferd vertreten.

Scharfe Werkzeuge, die man für Schaber – aber selten für Pfeilspitzen und Wurfspeere brauchte, stellten die Jäger aus Feuerstein oder auch Flintstein genannt her (gehört zur Opalfamilie). Der Feuerstein wurde durch ein geschicktes abschlagen und abpressen in Blättern geformt. Für das Solutréen ist die Kontur des Lorbeerblatts typisch. Die Erzeugnisse erreichten eine Grösse von bis zu 40 cm bei einer „Dicke“ von nur 5 - 6 mm. Nur sehr selten wurden Stechnadeln, Messer und Bohrer gefunden. Damalige Werkzeuge ordnete man je nach Genauigkeit und Verzierungen vier Gruppen zu: das Proto-, untere, mittlere und obere Solutréen. Pfeil- und Speerspitzen wurden vorrangig aus Knochen und Geweihen hergestellt. Nach dem Ende des Solutréen verschwand auch der Feuerstein aus der Werkstatt, um viel später wieder in Ägypten bei der Waffen- und Werkzeugherstellung zu erscheinen.

Im Museum befinden sich in Vitrinen neben den Funden auch sehr sinnvolle schematische und didaktische Erklärungen. So z.B. beim Propulsor. Das längs ausgehöhlte gerade Holzstück ist an einer Seite bestückt, in die man ein Wurfspeer einlegt. Dann wird im richtigen Augenblick während der Wurfbewegung die Seite des Propulsors frei gelassen. Diese verleiht dem Speer eine zusätzliche Kadenz – für damalige Zeit eine sehr durchdachte Vorrichtung.

Die Frauen der Jäger vom Solutré benutzten als erste bei der Pelzkleiderherstellung eine Nadel mit Öhr.
Der Nahrungszubereitung wurde schon damals grosse Aufmerksamkeit geschenkt. Es wurden mehrere riesige Feuerstellen in der Grösse von bis zu 9 x 18 Meter gefunden und als „Grill für viele Tierkörper auf einmal“ identifiziert. Um den Felsen fand man Knochen von ca. 100‘000 Wildpferden. Zum Teil wurden sie mit Speeren und Steinen erlegt oder auch über die Felsenklippe in den Tod getrieben. Viele Knochen wurden aufgespalten um das Mark gewinnen zu können. Einen eindrücklichen Eindruck hinterlässt die museale Rekonstruktion einer Jagd auf Wildpferde. Im Detail werden Waffen, Kleider und Dekor der damaligen Jäger und deren Helfer dargestellt.
Solutréen verschwindet ebenso wie es erschien, ziemlich plötzlich um 17‘500 v. Chr. Die nächste Periode, das Magdalénien ist weitgehend autonom.

Auf der abfallenden Wiese vor dem Museum sind einige stilisierte Fundstellen (Replikaten), aber auch urzeitige Gewächse angepflanzt worden. Unweit vom Museum wurden in Höhlen Felszeichnungen, Tierreliefs und Jagdszenen, sowie geschnitzte und verzierte Knochen und Malereien auf Steinplättchen gefunden. Auffällig ist das fehlen von Statuen.

Das Museum ist ganzjährig, ausser am 1.Januar und 1.Mai geöffnet. Im Museumsshop werden Bücher und Repliken der Solutréenkunst angeboten. Besonders hat uns die im Angebot ausgestellte Venus von Věstonice gefallen. Die fachkundige und hilfsbereite Mme M.Gonnet, l'agent d'acceuil, gestaltete unseren Besuch des kleinen aber interessanten Museums zu einem wertvollen Erlebnis.

Text von Jorgos Milonas, lektorierten Lea Prescher und Susanne Pollak
Foto: pollak.presse.tatraportal.sk und cg71

Info im Web: www.musees-bourgogne.org/les_musees/muse e_bourgogne_resultat.php?id=38&id_ville= 51

Das erkunden des Burgunds lohnt sich besonders auf eigene Faust. Stilvolle und günstige Unterkünfte findet man in den zahlreichen Schlössern und noch zahlreicheren Herrschaftshäusern unter der Bezeichnung „Gite“ und „Chambres d’hote“...
siehe auch : de.travello.com/saone-et-loire/artikel/5 620-private-unterkunft-fuer-weissweinfre unde

Geschrieben 01.04.2011, Geändert 01.04.2011, 6960 x gelesen.

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